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Sozial-ökologische Transformation

Wege in eine zukunftsfähige Gesellschaft für uns alle

Die Belastbarkeit der Ökosysteme unserer Erde und die Regenerationsfähigkeit unserer Lebensgrundlagen sind begrenzt. Die Menschheit hat durch ihre Lebens- und Wirtschaftsweise diese Grenzen teilweise überschritten und steht davor, unumkehrbare Prozesse in Gang zu setzen, die ein gutes Leben für alle auf diesem Planeten gefährden. Klimakrise, Artensterben und andere massive Eingriffe in Ökosysteme haben bereits tiefgreifende Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Wachsende soziale Ungerechtigkeit, politische Polarisierung und die Aushöhlung demokratischer Institutionen sind weitere aktuelle Trends, mit sich zum Teil gegenseitig verstärkenden Wirkungen.

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Und nun?

Die große Herausforderung unserer Gesellschaften besteht im tiefgreifenden Umbau der Wirtschaftssysteme und im Wandel der Lebensweise in wenigen Jahren, um die Übernutzung unserer Lebensgrundlagen aufzuhalten und den Wohlstand sozial gerecht zu verteilen. 

Aus der Transformationsforschung wissen wir, dass dieser notwendige Wandel »nicht aus einer großen Transformation (besteht), sondern aus vielen kleinen sequenziell und parallel verlaufenden Transformationsprozessen in verschiedenen Subsystemen, die zu einem Wandel der gesellschaftlichen Entwicklung oder der Systemdynamik führen« (Göpel/Remig 2014: 70).

 

Das Gesamtpaket dieser notwendigen und zum Teil bereits laufenden Veränderungsprozesse wird auch als sozial-ökologische Transformation bezeichnet. 

Die Rolle von Bildung

Die Vereinten Nationen formulierten 2015 in der Agenda 2030 ihre Version der Transformation und erarbeiteten 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die sog. Sustainable Development Goals. Als klare Vision und universeller Aufruf zum Handeln zielen sie darauf ab, die Armut zu beenden, den Planeten zu schützen und sicherzustellen, dass alle Menschen in Frieden und Wohlstand leben können. Bildung spielt dabei eine besondere Rolle: »Bildung für nachhaltige Entwicklung kann das Wissen, das Bewusstsein und die Handlungskompetenz vermitteln, die Menschen in die Lage versetzen, sich selbst und die Gesellschaft zu transformieren« (UNESCO & Deutsche UNESCO-Kommission 2021: 2). 

Eine »Transformative Bildung bietet den Erwerb von Mut, Haltung, Orientierung und Fähigkeiten zur Zusammenarbeit, die es braucht, um große Veränderungen aktiv anstatt reaktiv zu leben und umzusetzen« (Göpel 2018: 3). Dies gilt insbesondere auch für die Weiterbildung, die Menschen in unterschiedlichen Lebensabschnitten und in diversen, sich ändernden Rollen adressiert. Sie hat dadurch Einfluss auf Transformationsprozesse in unterschiedlichen Stadien und auf diversen Ebenen. 

Um das transformative Potenzial zu stärken, können Akteure der Weiterbildung an 4 verschiedenen Stellschrauben drehen.

  • Inhaltlich kann die transformative Perspektive durch Einbezug systemischer Zusammenhänge sowie strukturverändernder und politischer Handlungsoptionen gestärkt werden. Die Zielgruppen sollen eigene gesellschaftliche Handlungsspielräume für die Transformation kennenlernen und in ihren diversen Rollen auf unterschiedlichen Ebenen anwenden können. Was bedeutet es als Verwaltungsbeamt:in,
    Lehrkraft oder Vorstandsvorsitzende:r eines Unternehmens, transformativ zu wirken? Welche Hebel und Zugänge habe ich in meiner Rolle?
  • Methodisch schaffen handlungsorientierte Formate geeignete Lern- und Erfahrungsräume für kleine und große Transformationsprozesse. Die Zielgruppen sollen nicht nur lernen und konzipieren, sondern tatsächlich auch in realen gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen ausprobieren können, wie strukturelle Veränderungen auf unterschiedlichen Ebenen selbst mitgestaltet werden können. Dafür müssen sich Bildungsakteure stärker auf die Lern- und Wirkungsräume von transformativem Handeln ihrer Zielgruppen einlassen und diese stärker bedarfs- und kompetenzorientiert multiperspektivisch begleiten können. »Die Lernenden müssen ihre Aktivitäten für die Transformation in passenden Lernräumen rückkoppeln, von Erfahrungen anderer lernen und ihre Wirkungen überprüfen, sich neue und für ihr Engagement relevante Kompetenzen aneignen und gemeinsame Reflexionsprozesse über ihr Handeln wahrnehmen können« (Heitfeld/Reif 2020: 19).
  • Institutionell ist ein ganzheitlicher Ansatz von Bildungseinrichtungen und damit die Integration von nachhaltiger Entwicklung in alle Prozesse und Strukturen der Lernorte selbst ein wichtiger Faktor für Innovation und transformative Wirkung. Der sog. Whole Institution Approach hilft Weiterbildungseinrichtungen, die relevanten Bereiche zu überprüfen: vom Leitbild über Lehrpläne, Weiterbildungs-
    möglichkeiten der Mitarbeitenden, Gebäudemanagement und Umgang mit Ressourcen, demokratische Teilhabemöglichkeiten für die Mitarbeitenden und Zielgruppen bis hin zu einer proaktiven Rolle innerhalb der eigenen Netzwerke (Buckbesch/Lerche/Niebling 2021).
  • Auf Personenebene können Entscheidungsträger*innen in Unternehmen, Verwaltung, Politik und Verbänden in diversen Funktionen und auf allen Ebenen verstärkt adressiert werden. Sie können Bildungsangebote bereichern, z. B. als Empfänger:innen von Transformationsvorschlägen oder als Mediator:innen eines zu gestaltenden Veränderungsprozesses. Angesprochen als direkte Zielgruppe werden ihre eigenen Kompetenzen und Möglichkeiten erweitert, damit sie ihr Handeln als Entscheider:innen stärker an sozialen und ökologischen Kriterien ausrichten können (Heitfeld/Reif 2020).

Die Transformation der Weiterbildung selbst ist eine herausfordernde und doch vielversprechende Aufgabe. Die dahinterliegenden Bildungsprogramme und Förderlandschaften müssen dafür ebenso adressiert werden wie die gelebte und strukturelle Nachhaltigkeit der Bildungseinrichtungen.

Literatur:

Buckbesch, M.; Lerche, U.; Niebling, L. (2021): Leben, was wir lehren – mit dem Whole Institution Approach Bildungseinrichtungen nachhaltiger gestalten. In: agl-Dokumente, 28. URL: https://agl-einewelt.de/publikation/whole-institution-approach/

Göpel, M.; Remig, M. (2014): Mastermind of System Change. Karl Polanyi and the »Great Transformation«. In: GAIA – Ecological Perspectives for Science and Society 23(1): 70–72.

Göpel, M. (2018): Die Große Transformation braucht transformative Bildung. In: Weitblick 18(1): 3. URL: www.germanwatch.org/sites/default/files/weitblick/21457.pdf 

Heitfeld, M.; Reif, A. (2020): Transformation gestalten und lernen. Mit Bildung und transformativem Engagement gesellschaftliche Strukturen verändern. URL: www.germanwatch.org/de/19607

UNESCO & Deutsche UNESCO-Kommission (2021): Bildung für nachhaltige Entwicklung – Eine Roadmap. URL: https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000379488

Dieser Beitrag ist im Juni 2023 zuerst erschienen im Magazin weiter bilden (CC BY-SA 4.0 Lizenz):

Heitfeld, Marie & Reif, Alexander (2023): Stichwort: Sozial-ökologische Transformation. In: weiter bilden 30(2): 12-13. Bielefeld: wbv Publikation. https://www.wbv.de/shop/Stichwort-WBDIE2302W003 

Illustration zum Beitrag: Christoph Budde

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