Transformative Bildung

Wie kann Bildung Menschen bestärken und befähigen, sich wirkungsvoll und nachhaltig für ein gutes Leben für alle - heute und in Zukunft - zu engagieren?

Eine transformative Bildung für nachhaltige Entwicklung steht für uns dafür, Angebote zu schaffen, in denen jede:r lernen kann, wie Wege zu einem gemeinschaftlichen Leben innerhalb sozialer und ökologischer Leitplanken entwickelt, ausprobiert und die politischen Rahmenbedingungen dafür eingefordert werden können.

Bei Bildung denken viele von uns zuerst an Schule, aber Bildung bzw. Lernen findet an ganz unterschiedlichen Orten und in verschiedenen Settings - mal an formalen Bildungsorten (Schule etc.), mal außerhalb formaler Kontexte - statt. Wir lernen zum Beispiel zu Hause, in der Schule oder am Arbeitsplatz oder in der Bibliothek um die Ecke. Wir lernen, um einen bestimmten Abschluss zu erreichen oder wir lernen aus freien Stücken, weil wir Spaß daran haben etwas Neues auszuprobieren. Manchmal findet Lernen ganz privat statt und teilweise lernen wir in einer Gruppe von Menschen. Häufig findet Lernen auch einfach im Handeln selbst statt, wenn wir uns zum Beispiel für etwas engagieren, das uns wichtig ist.

In unserer Bildungsarbeit setzen wir uns damit auseinander, wie Bildung mehr als nur Wissen über Nachhaltigkeitsthemen vermitteln und Ideen zur Verringerung des eigenen Fußabdrucks aufzeigen kann.

Die Vermittlung von Wissen zum Beispiel über die Ursachen und Folgen der Klimakrise ist zwar ein notwendiger Bestandteil, reicht aber nicht aus.

Eine Bildung, die selbst ein Hebel für die sozial-ökologische Transformation ist, muss zusätzlich die Reflexion von Werten und der eigenen Rolle in der Welt anstoßen. Das bedeutet ganz konkret zwei Dinge:

  1. Systemische Zusammenhänge der globalen Krisen und ihre Folgen vermitteln, um Menschen zu befähigen, gesellschaftliche Strukturen nachhaltig zu verstehen und zu verändern.
  2. Das Handeln für die Transformation kompetenzorientiert begleiten und auf möglichst inklusive Formate achten, die es Menschen unterschiedlicher Herkünfte und sozialer Backgrounds ermöglichen an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen teilzuhaben.

Im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen die 'Agenda 2030' für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Dahinter stehen im Wesentlichen 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (engl. SDGs = Sustainable Development Goals). Diese sollen weltweit die Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene sowie auf den verschiedenen räumlichen Maßstabsebenen (global, national, regional und lokal) ermöglichen. Sie traten am 1. Januar 2016 in Kraft und lösten die Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) ab. Sie gelten damit für alle Staaten der Erde und nicht (wie zuvor) nur für die sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer.

Im November 2019 verabschiedete die Weltbildungs- und Kulturorganisation UNESCO das Nachfolgeprogramm für das Weltaktionsprogramm Bildung für nachhaltige Entwicklung mit dem Titel 'ESDfor2030' (ESD = Education for Sustainable Development).

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In diesem Programm wird explizit betont, dass Bildung einen wirksamen Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2030 und der SDGs leisten kann und muss, um Menschen dort zu erreichen, wo sie stehen und sie dafür zu begeistern, sich direkt an politischen Prozessen zu beteiligen bzw. auf verschiedene Weise in diese hineinzuwirken. Als Schwerpunkte werden das transformative Handeln, die Förderung struktureller Veränderungen und der Einsatz technologischer Neuerungen hervorgehoben. Wie bei allen Zielen, sollen auch in der Bildung die Beziehungen zwischen Ländern des globalen Nordens und Ländern des globalen Südens mitgedacht werden.

    Materialien zu den SDGs:

    Ausgewählte Informationen und Materialien zu den SDGs und BNE:

    • 2002 wurde BNE durch Ausrufung der Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (2005 – 20014) auf dem Weltgipfel Rio + 10 weltweit auf die bildungspolitische Agenda gesetzt
    • 2012 beim globalen Nachhaltigkeitsgipfel (Rio+20) wurde BNE als wesentlicher Bestandteil einer qualitätsorientierten Bildung und als Schlüsselfaktor für eine nachhaltige Entwicklung anerkannt
    • ab 2014 wurde die erste BNE-Dekade das UN-Weltaktionsprogramm BNE (2014-2019) mit konkreten Aktionen, Verbreitung und Weiterentwicklung von BNE umgesetzt
    • 2019 wurde ein Entwurf für das neue Programm „BNE 2030“ vorgelegt, das u.a. in einem weltweiten Online-Konsultationsprozess kommentiert wurde
    • 2021 war der offizielle Start von ESD for 2030 / BNE 2030: die UNESCO-Konferenz vom 2.-4. Juni 2021 in Berlin

    Viele Aspekte transformativer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung werden in verschiedenen Bildungsbereichen bereits umgesetzt. Im deutschsprachigen Raum sind drei Konzepte am weitesten verbreitet:

    • Das Konzept Globales Lernen bietet einen machtkritischen Blick auf Grundursachen globaler Ungerechtigkeiten, eine globale Perspektive der Einen Welt und die sensible Reflexion persönlicher Bedürfnisse, Gefühle und Werte.
    • Das Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zielt auf eine systemische Betrachtungsweise von Ursachen und Folgen von Nachhaltigkeitsherausforderungen ab und blickt auf Institutionen, ihre politischen Prozesse und daraus resultierende Lösungsansätze und Handlungsoptionen. Das Verstehen und Beschreiben der Welt als System, das sich durch Zusammenspiel verschiedener gesellschaftlicher Akteur:innen in einem ständigen Wandel befindet, ist eine wichtige Kompetenz. Erst durch dieses systemische Denken ist es uns als Lernenden möglich zu sehen, wie wir in laufenden Prozessen aktiv mitgestalten können und welche Rolle(n) wir einnehmen können.
    • Das Konzept der politischen Bildung zeigt Partizipationsmöglichkeiten auf und verdeutlicht Positionen in politischen Prozessen sowie die demokratische Auseinandersetzung mit Wandelprozessen und politischem Handeln

    Diese Elemente helfen jeweils für sich dabei die Wirkpotenziale von Bildung für die sozial-ökologische Transformation freizusetzen. Für eine wirklich transformative Bildung braucht es aus unserer Sicht jedoch eine stärkere Verknüpfung der Konzepte und das Aufzeigen von wirkungsvollen Handlungsmöglichkeiten für die Bewältigung der Herausforderungen (u.a. Grund/Brock 2019).

    Genauso wichtig sind neue Angebote zur Begleitung des Handelns durch Bildungsakteur:innen und daran angepasste Formate (u.a. Singer-Bodrowski 2019). Wenn Bildung transformativ wirken soll, reicht es – sehr zugespitzt gesagt – nicht aus, die Agrarindustrie aus postkolonialer Perspektive in Frage zu stellen, eine Solidarische Landwirtschaft zu besuchen und die Lernenden dann mit einer gemeinsamen Sammlung von persönlichen Handlungstipps zurück zu lassen. Diese Schritte sind zwar wichtig, aber sollten ergänzt werden: Die Lernenden müssen auch ihre Aktivitäten für die Transformation in passenden Lernräumen rückkoppeln, von Erfahrungen anderer lernen und ihre Wirkung überprüfen, sich neue und für ihr Engagement relevante Kompetenzen aneignen und gemeinsame Reflexionsprozesse über ihr Handeln wahrnehmen können. Ihr volles Potential kann transformative Bildung deshalb entfalten, wenn transformative Handlungsoptionen längerfristig begleitet werden können. Dass dies in der Praxis aufgrund der gängigen Bildungsformate (Seminare, Workshops, Werkstätten), der dahinterliegenden Bildungsprogramme und der Förderlandschaft für Bildung oft nicht oder nur sehr umständlich möglich ist, stellt eine zentrale Herausforderung dar, die Bildungsmultiplikator:innen thematisieren und angehen sollten.

    Die Möglichkeiten der Menschen sich in politische Prozesse einzubringen und an Entscheidungen teilzuhaben, sind sehr unterschiedlich. Das liegt daran, dass unsere Gesellschaft sehr divers ist und viele von uns im Alltag Diskriminierungen erfahren, weil sie zum Beispiel anders aussehen, weniger verdienen, nicht die gleichen Klamotten tragen, zu alt oder zu jung sind, weiblich sind oder sich in gängigen Geschlechtszuschreibungen nicht wiederfinden, eine nicht weiße Hautfarbe haben und und und.

    Für eine transformative Bildung brauchen wir Zugang zu Bildungsangeboten für alle Menschen. Nur so bekommen alle die Chance gleichermaßen erfolgreich an den gesellschaftlichen Angeboten teilzuhaben (#Bildungsgerechtigkeit).

    Inklusion heißt ganz konkret, dass sich Menschen nicht (mehr) an vorhandene Strukturen anpassen müssen, die schlecht für sie sind, sondern, dass die Gesellschaft in ihren Infrastrukturen auf Menschen mit unterschiedlichen Merkmalen, Bedürfnissen und Identitäten eingestellt ist (Deutsche UNESCO-Kommission 2023). Beispielsweise können in einer inklusiven Gesellschaft Menschen, die einen Rollstuhl benötigen, ganz ohne Schwierigkeiten, mit anderen Mitschüler:innen an einem Tisch lernen. Ein anderes Beispiel sind Menschen, die aus anderen Ländern in die deutsche Gesellschaft kommen. Damit sie schnell die deutsche Sprache lernen und an der Gesellschaft teilhaben können, gibt es in einer inklusiven Gesellschaft passende Bildungsangebote. Bisher ist das leider nicht überall so.

    Damit das keine Zukunftsvision bleibt, müssen die Räume / Orte, an denen Bildung stattfindet, aber auch die nötigen Bildungsmaterialien möglichst barrierefrei sein und es braucht eine möglichst leichte Sprache, die alle verstehen (Thiele 2022). Die Förderung von Inklusion bedeutet dementsprechend dort, wo die Strukturen noch nicht optimal sind, Strukturen zu schaffen, die es jedem Menschen ermöglichen, von Anfang an ein wertvoller Teil der Gesellschaft zu sein.

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    Bild von Freepik
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    Angesichts der globalen Herausforderungen ist es dringlicher denn je, Bildung für nachhaltige Entwicklung transformativ zu denken und umzusetzen. Transformative Wirkung kann BNE auf der individuellen Ebene entfalten, wenn Lernende ihre eigenen Annahmen, Einstellungen, ihre Verantwortung in der Welt oder ihren Lebensstil hinterfragen und verändern. Auf der gesellschaftlichen Ebene kann BNE eine transformative Wirkung entfalten, wenn Lernende befähigt werden und sich selbstbestimmt entscheiden, kollektiv die sie umgebenden Strukturen und Rahmenbedingungen zielgerichtet und gemeinwohlorientiert (mit) zu gestalten.

    Methoden, Beispiele und Tipps

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    Kontakt

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    Bildungsmultiplikator:innen bestärken Menschen darin, ihre gesellschaftlichen Gestaltungsspielräume zu erkennen und zu nutzen. Allein in Deutschland arbeiten aktuell mehr als 1200 Akteur:innen an der Umsetzung einer Bildung für nachhaltige Entwicklung und verändern damit im besten Fall auch langfristig Strukturen und Rahmenbedingungen für uns alle.

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    Hier findes Du eine Übersicht von BNE-Akteuren in Deutschland.

    Hier findest Du einen Kalender mit BNE-Terminen.

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    Literatur:

    Deutsche UNESCO-Kommission (2023): Inklusive Bildung. Abrufbar auf der Webseite der Kommission unter https://www.unesco.de/bildung/inklusive-bildung. Letzter Zugriff: 22.03.2023.

    Grund, J.; Brock, A. (2019): Why We Should Empty Pandora's Box to Create a Sustainable Future: Hope, Sustainability and Its Implications for Education. In: Sustainability 11(3): 893. URL: https://doi.org/10.3390/su11030893

    Singer-Bodrowski, M. (2019): Transformatives Lernen als neue Theorie-Perspektive in der BNE. In: Forum Umweltbildung im Umweltdachverband (Hrsg.), Jahrbuch Bildung für Nachhaltige Entwicklung - Im Wandel. Wien: 130-139.

    Thiele, K. (2022): Öffentliche Bibliotheken im Spannungsfeld von Digitalisierung und Austerität: Kommunale Strategien und ihre Implikationen für die Bildungsgerechtigkeit. Bielefeld: transcript-Verlag.