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Ein Buch über den Handabdruck!

„Hoch die Hände Klimawende“ gibt nahbare Ideen für wirkungsvolles Klima-Engagement

Gabriel Baunach ermöglicht seinen Leser:innen einen gelungenen Einstieg in wichtige Fragen rund um unser Handeln für den Klimaschutz. Das Buch „Hoch die Hände Klimawende“ schafft es, das Konzept des Handabdrucks für Menschen zu veranschaulichen, die ihr Engagement für mehr Klimaschutz über Maßnahmen des ökologischen Fußabdrucks hinaus erweitern wollen. Der Autor verknüpft dafür anschaulich eigene Erfahrungen, Beispiele anderer engagierter Menschen und ihrer Handabdruck-Projekte und Exkurse in die Kommunikationswissenschaft und Psychologie.

Zur Einführung in das Germanwatch-Verständnis vom Handabdruck hier lang.

Einen kurzweiligen Eindruck erhaltet ihr auch in unserem TEDx Talk bei YouTube.

Bei Germanwatch arbeiten wir seit rund 10 Jahren mit dem Handabdruck. Was durch die indische NGO CEE als Idee für positives Zukunftshandeln begann, haben wir im Laufe der Jahre zu einem umfassenden Bildungskonzept für transformatives Engagement weiterentwickelt. 

Der Handabdruck ist dabei nicht nur Methode und Stütze für Akteur:innen in der BNE. Er kann auch für Nachhaltigkeits-Interessierte und -Engagierte einen wertvollen Perspektivwechsel bedeuten und den Wirkradius erhöhen.

Während Fußabdruck-Handeln nur begrenzt klimaschädliche Treibhausgase einsparen kann, bewirken wir mit unserem Handabdruck-Engagement exponentiell mehr.
Copyright: Germanwatch e.V. | Illustration: Holly McKelvey (angelehnt an eine Grafik von Gabriel Baunach)

Im August 2023 hat der Autor Gabriel Baunach ein gut lesbares Sachbuch über den ökologischen Handabdruck veröffentlicht. Das Buch ist ein wichtiger Baustein, um mehr Menschen genau diesen Perspektivwechsel zu ermöglichen. Wir haben das Buch gelesen und fassen unsere Eindrücke für euch zusammen.

Wertvolle Impulse für positives Klimahandeln

„Hoch die Hände Klimawende“ ermöglicht seinen Leser:innen einen umfassenden Einstieg in die verschiedenen Dimensionen von Klimaschutz-Engagement. Durch anekdotische Erzählstränge, die Darstellung aktueller Klimaforschungsergebnisse und nahbare Alltagsbeispiele schafft Baunach eine fundierte Basis, um die Ausführungen zum Engagement mit dem ökologischen Fuß- und Handabdruck einordnen zu können. Auf eine ausführliche Darstellung des Fußabdruck-Narrativs folgt eine Einführung in die Idee des Handabdrucks, abgerundet durch  konkrete Ideen für Handabdruck-Engagement in vier Kapiteln. Ergänzend gibt Baunach Einblicke in Aspekte der Umweltpsychologie und Klimakommunikation.

Das Buch schafft so auf rund 300 Seiten einen Einstieg in die Klimakrise, ihre Herausforderungen, gesellschaftliche Hemmnisse und mögliche Lösungsansätze. Es ist eine Stärke Baunachs, die vielen Dimensionen einer der größten Krisen unserer Zeit zu ordnen, niedrigschwellig aufzuarbeiten und seine Leser:innen mit einem Gefühl von Verständnis und Klarheit zu entlassen. Viele Leser:innen dürften mit der Lektüre Ideen für erste Schritte in Richtung effektives Handabdruck-Engagement für mehr Klimaschutz bekommen – und den Impuls verspüren, in die Umsetzung zu gehen.

Ungenutztes Potential in der Tiefe

Wie auch der Autor arbeiten wir bei Germanwatch mit empirischen Erkenntnissen aus dem Bereich der Klima- und Umweltpsychologie. Unser menschliches Handeln oder Nicht-Handeln für den Klimaschutz wird maßgeblich durch unsere Emotionen, unser Denken, soziale Normen und unsere ganz persönlichen Werteinstellungen beeinflusst. Deswegen liegt ein Rückbezug auf aktuelle Forschung aus dem Bereich der Psychologie durchaus nahe.

Mehr Infos findet ihr in unserer Hintergrundbroschüre „Transformation gestalten lernen“  und in diesem Blogbeitrag zu Umweltpsychologie und BNE.

Dieser überblicksartige Ansatz von „Hoch die Hände Klimawende“ lässt Handabdruck-Fortgeschrittene an einigen Stellen Tiefe vermissen. Persönliche Erfahrungen, Handlungstipps und -tricks, Beispiele aus dem Engagement- und Alltagsleben tatsächlicher und fiktiver Menschen reihen sich an historische Erzählungen, Fakten der Klimawissenschaft, gesellschaftliche Typisierungen, kurzweilige Einblicke in empirische Befunde der Umweltpsychologie und Empfehlungen für gelingende Klimakommunikation. Ein solcher thematischer Umfang in Form eines kurzen Sachbuchs lässt an vielen Stellen natürlich nur eine oberflächliche Darstellung zu.

Während dieser Ansatz für Neueinsteiger:innen ins Thema Klimaschutz-Engagement ausreichend Neuwert hat, hält sich der Mehrwert für schon Engagierte, länger Interessierte und Menschen mit Vorerfahrungen womöglich in Grenzen.

An der ein oder anderen Stelle hätte das Prinzip „weniger Thema ist mehr Tiefe“ dem Lesefluss gut getan, um genau den Erzählstrang zu stärken, der das Buch zu einer klaren Lese-Empfehlung macht: nämlich die nahbare Beschreibung von Real-Beispielen, Ideen und Geschichten, die neue Ideen für transformatives Klimaschutz-Engagement aufzeigen und greifbar machen.

Gabriel Baunach beschreibt treffend, dass unser kommunikativer Umgang (von ganz privat bis medial) mit der Klimakrise höchst relevant ist. Gute, konstruktive Kommunikation kann dazu beitragen, Verständnis und Handlungsmut zu stärken; destruktive Kommunikation fördert gesellschaftliche Spaltungsprozesse. Baunach stellt aus diesem Grund seine 10 Tipps für gelingende Klimakommunikation vor.

Unser Tipp für eine noch intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema: Unter klimafakten.de finden sich zahlreiche Informationen, Tipps und Lernmaterialien zu der Frage, wie Kommunikation zur Klimakrise konstruktiv gelingen kann.

Auf diese Weise, durch weniger Fakten-Vermittlung und mehr Storytelling, hätte „Hoch die Hände Klimawende“ seinen Leser:innen noch mehr Raum für Identifizierung und emotionales Lernen ermöglicht – denn, wie Baunach selbst anmerkt, reine Wissensvermittlung zur Klimakrise ist in den seltensten Fällen ausreichend, um Menschen zum Handeln zu motivieren.

Klimaschutz braucht Hand und Fuß!

Für die meisten Menschen ist die Reduktion des persönlichen, ökologischen Fußabdrucks der Einstieg in ihre Klimaschutz-Sensibilisierung. Auch für Baunach ist der Fußabdruck der Einstieg in seine Ausführungen, Tipps und Tricks für klimafreundliches Engagement. Leider nehmen die Ausführungen zum Fußabdruck überraschend viel Raum ein, sodass das zentrale, innovative Thema des Buchs (der strukturverändernde Handabdruck) erst nach circa 180 Seiten inhaltlich ausgeführt wird. Einige der Ausführungen hätten zugunsten nahbarer Handabdruck-Geschichten sicherlich mit einem Verweis auf die vielen anderen existierenden Informationsquellen, Tipps, Listen und Debatten eingespart werden können.

  • Wie Baunach nachvollziehbar und verständlich ausführt, kann Fußabdruck-Handeln ein Gefühl unmittelbarer Selbstwirksamkeit kreieren. Das Gefühl, mit dem eigenen Handeln einen Beitrag zu leisten, ist insbesondere zu Beginn der eigenen Klimaschutz-Reise besonders wichtig! Wer damit beginnt, das eigene Konsumverhalten nachhaltiger zu gestalten, mag nach und nach über weitere Hebel für effektiveres Klimaschutz-Handeln nachdenken.
  • Gleichzeitig kann ein zu großer Fokus auf die individuelle Fußabdruck-Reduktion dazu führen, dass Menschen sich in Details mit begrenzter Wirkung und Fragen der Selbstoptimierung verlieren oder sich scheinbar „nicht-Engagierten“ gegenüber überlegen fühlen. Vor allem Sensibilisierte und Engagierte suchen aber oft nach Handlungsmöglichkeiten, die dem Ausmaß und der Dringlichkeit der Klimakrise gerecht werden – und die durch strukturelle Effekte die eigene Wirksamkeitserwartung steigern.

„Klimaschutz muss Hand und Fuß haben.“ Die beiden Konzepte des Fuß- und Handabdrucks ergänzen sich gegenseitig, und dieses Sowohl-als-auch beschreibt Baunach sehr treffend. Er schlägt eine Formel vor, nach der jede:r im Durchschnitt 1/3 der zeitlichen Ressourcen in die individuelle Fußabdruck-Reduktion und 2/3 in strukturveränderndes Handabdruck-Engagement investieren sollte. Im Idealfalls nimmt die Auseinandersetzung mit dem eigenen Fußabdruck tatsächlich nur so viel Raum ein, dass genügend Raum für Handabdruck-Engagement übrig bleiben. Allerdings braucht Handabdruck-Engagement individuell ganz unterschiedliche Ressourcen, die nicht jede:r gleichermaßen zu jeder Zeit investieren kann – finanziell, emotional, mental, zeitlich. Eine differenziertere Auseinandersetzung Baunachs mit Privilegien-Fragen zum Handabdruck hätte sein Buch bereichert.

Wann ist ein Handabdruck ein Handabdruck?

Was genau macht nun Handabdruck-Handeln für mehr Klimaschutz aus? Wie auch wir bei Germanwatch definiert Baunach: „Mit Handabdruck-Hebeln bewirkt man eine strukturelle Veränderung der Rahmenbedingungen unseres Zusammenlebens, sodass es noch mehr Menschen erleichtert wird, nachhaltig zu handeln beziehungsweise ihre persönlichen Fußabdrücke zu reduzieren.“ 

Bei der Frage, was genau alles Handabdruck-Engagement sein kann, unterscheidet sich die Germanwatch-Perspektive in einigen Aspekten von der Baunachs. Handabdruck-Handeln verändert nicht-nachhaltige Strukturen, und dafür braucht es zielgerichtetes Engagement. Diese Zielgerichtetheit erfordert eine gewisse Trennschärfe, die den Handabdruck von positivem Aktionismus oder großformatigem Fußabdruck-Handeln unterscheidet (beides ebenso wichtige, wertvolle und effektive Handlungsoptionen für mehr Klimaschutz). Diese Trennschärfe ist bei Baunach an manchen Stellen nicht eindeutig. Zwei Beispiele, die uns ins Auge gefallen sind:

  • Spenden begreift Baunach als Handabdruck-Aktion. Doch selbst regelmäßig eingerichtete Spenden fördern nur dann Strukturveränderung, wenn sie gezielt genau solche Maßnahmen unterstützen.
  • Kommunikation über Klimaschutz – im Buch dargestellt als relevante Handabdruck-Aktion – kann ein wichtiger Schritt sein, um andere zu inspirieren, zu ermutigen und Empathie zu steigern. Ein Gespräch im familiären Kontext beispielsweise strebt jedoch in den seltensten Fällen eine Strukturveränderung an, noch resultiert sie daraus; ein Gespräch mit Entscheidungsträger:innen dagegen, das diese zu einer Transformation der Strukturen im Rahmen ihrer Machtbefugnisse überzeugen soll, tut dies schon eher.

Baunach gibt seinen Leser:innen unzählige Ideen mit auf den Weg, um den eigenen Handabdruck zu vergrößern. Sei es im privaten, beruflichen, gesellschaftlichen oder politischen Umfeld, hier wird sicher jede:r Anknüpfungspunkte finden. Wer erste Ideen gesammelt hat und auf der Suche nach Hebeln und Aktionen für den Start in das eigene, konkrete Handabdruck-Engagement ist, wird auf diesem Blog fündig unter Impulse & Angebote.

Fazit

Auch wenn wir aus Germanwatch-Perspektive nicht in allen Punkten mit Gabriel Baunachs Ausführungen zum Handabdruck übereinstimmen, empfinden wir das Buch als großartig und hilfreich, um einen Einstieg in die konstruktiven und ermutigenden Aspekte des Handabdrucks zu finden. Insbesondere für Unentschlossene, für Menschen, die nach neuen und effektiven Handlungsoptionen für mehr Klimaschutz suchen, zeigt das Buch überblicksartig Optionen für strukturveränderndes Engagement auf. Für Engagierte, die mit den Facetten der Klimakrise und verschiedenen Möglichkeiten des Aktionismus vertraut sind, ist das Buch wahrscheinlich etwas weniger interessant. Hier empfehlen wir stattdessen einen Blick in unsere weiterführenden Materialien - zum Beispiel das Methoden-Handbuch zur Arbeit mit dem Handabdruck oder unsere Hintergrundbroschüre „Transformation gestalten lernen“.

Disclaimer

Das Team Bildung für nachhaltige Entwicklung hat in der Entwicklungsphase des Buchs „Hoch die Hände Klimawende“ zwei Kapitel gegengelesen und Impulse für die weitere Arbeit des Autors Gabriel Baunach gegeben. Wie Baunach in seinem Buch selber auszeichnet, basiert ein großer Teil seiner Ausführungen zum Handabdruck auf der Germanwatch Arbeit mit dem Handabdruck als Bildungs- und Engagementkonzept.

Die beiden Autorinnen dieses Blogbeitrags waren an diesen Prozessen nicht beteiligt. Sie haben im Dezember 2023 das Buch das erste Mal gelesen und halten hier ihren Eindruck fest.

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