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Mit Konservativen über Klimaschutz reden
Klimaschutz ist längst kein rein technisches oder wissenschaftliches Thema mehr – er wird zutiefst gesellschaftlich und kulturell thematisiert. Wer den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken will oder Bildungsarbeit leistet, steht vor der Herausforderung, Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen ins Gespräch zu bringen. Besonders spannend: Wie gelingt der Dialog mit (unterschiedlich) konservativ orientierten Gruppen? Dazu veranstaltete das Germanwatch BNE-Team im Rahmen seines Projektes zu Dialogformen vom 19.-21. September 2025 ein Dialogseminar, bei dem u.a. Carel Mohn von Klimafakten wertvolle Impulse gab:
- Warum Widerstand entsteht – Psychologische Grundbedürfnisse verstehen
Reaktanz gegen Klimaschutz ist selten reine Faktenleugnung. Vielmehr berührt das Thema grundlegende menschliche Bedürfnisse: - Bindung: Wer sich in seinem sozialen Umfeld nicht mehr zugehörig fühlt, weil die „vegane Nichte“ andere Werte vertritt, erlebt Klimadebatten als Bedrohung des Zusammenhalts.
- Autonomie: Klimawandel wirkt unkontrollierbar. Maßnahmen können als Einschränkung empfunden werden – ein Gefühl, das in Krisen wie der Pandemie verstärkt wurde.
- Selbstwert: Klimaschutz stellt berufliche Identitäten infrage. Für Kohlekumpel oder Pilot:innen bedeutet er nicht nur Jobverlust, sondern Statusverlust.
- Lustgewinn: Veränderungen bedrohen gewohnte Freiheiten – vom Mallorca-Urlaub bis zum SUV.
Diese Bedürfnisse sind universell. Wer sie ignoriert, riskiert, dass Klimaschutz als Zumutung erlebt wird. Menschen streben nach Konsistenz zwischen Werten und Verhalten. Klimaschutz kann kognitive Dissonanz erzeugen – und die wird oft durch Abwertung des Themas statt durch Verhaltensänderung gelöst.
Konservative Grundhaltung: Bewahren statt Revolution
Konservativ heißt nicht „gegen Veränderung“, sondern „für Bewahrung“. Das bedeutet:
• Orientierung an Bewährtem, d.h. auch Orientierung am gewohnten sozialen Gefüge
• Anpassung an Wandel – aber pragmatisch („Was habe ich davon?“), nicht idealistisch
• Unverständnis für utopische Visionen („die Welt, wie sie sein sollte“)
Das ist entscheidend: Klimakommunikation muss nicht auf radikale Zukunftsbilder setzen, sondern auf Kontinuität und Sicherheit. Wer konservativ denkt, will Stabilität – und genau das kann Klimaschutz bieten: Schutz von Heimat, Landschaft, Lebensqualität. Für mich und die Menschen, die mir nahe und wichtig sind.
Zuhören statt belehren
Menschen wollen gehört werden – deshalb ist Zuhören und persönlicher Austausch wichtiger als Debatte. Wer sich ausschließlich auf Argumente konzentriert, übersieht die emotionale Ebene, die für Verständnis und Vertrauen entscheidend ist. Ebenso wichtig ist es, gemeinsame Werte zu betonen: Für konservativ orientierte Menschen stehen Familie, Sicherheit und Ordnung im Mittelpunkt.
Klimaschutz lässt sich als Mittel zur Bewahrung genau dieser Werte darstellen – nicht als Bruch mit Tradition, sondern als Schutz dessen, was uns allen wichtig ist. Schließlich gilt es, pluralistische Ignoranz zu vermeiden. Viele unterschätzen die Bereitschaft anderer, der gesellschaftlichen Mehrheit, sich klimafreundlich zu verhalten. Diese Fehleinschätzung führt zu Stillstand und Resignation. Bildungsakteure sollten deshalb deutlich machen: „Ihr seid nicht allein – viele wollen handeln.“
Praktische Tipps für Bildungsakteure
1. Fragen stellen, nicht belehren: „Was bedeutet Heimat für Sie?“ öffnet mehr Türen als „CO₂ muss runter!“
2. Positive Narrative nutzen: Klimaschutz als Schutz der Schöpfung, als Investition in die Zukunft der Kinder.
3. Pragmatische Lösungen betonen: Statt „Systemwandel“ lieber „effiziente Technologien“, „Fortschritt“ und „lokale Initiativen“.
4. Identität respektieren: Wer sich angegriffen fühlt, blockt ab. Anerkennung schafft Vertrauen.
5. Gemeinschaft aktivieren: Konservative Milieus sind stark in Vereinen und Kirchen verankert – und damit ideale Multiplikator:innen.
Statt sich aber zu lange ausschließlich mit Strategien, Argumenten, Narrativen und Framing aufzuhalten, sollten wir den Dialog suchen. Zeigen wir ehrliches statt strategisches Interesse am Gegenüber – und das bedeutet vor allem: ZUHÖREN. Denn echte Veränderung beginnt nicht mit dem perfekten Argument, sondern mit dem Gefühl, verstanden zu werden.
Melanie Gehenzig, Stefan Rostock
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